Die Perlen-Reihe durch die Zeit

Bis – ja, bis sich im Jahr 2009 die Wiener Buchhändlerin und Verlagsvertreterin Ulla Harms ein Herz fasste, und sich anschickte, den Verlag aus dem „Dornröschenschlaf“ zu holen und ihm neues Leben einzuhauchen. Sie erwarb sämtliche Verlagsrechte und übernahm den „Verlag Perlen-Reihe“.

Gegründet 1950 in Wien, blickt der Verlag Perlen-Reihe auf eine bewegte Vergangenheit zurück. Innerhalb kurzer Zeit zum unverzichtbaren Begleiter avanciert und in nahezu jedem Haushalt zu finden, gab es vor allem ab den 1990er Jahren mit Aufkommen des Internets Durststrecken zu überstehen.

„Wer um Rat bittet, sucht fast immer einen Komplizen.“

Joseph-Louis de La Grange

italienischer Mathematiker und Astronom

1950er

Wie alles begann – Wirtschaftswunderzeit der 1950er

„Praktisches und Wissenswertes für jeden!“ Adalbert Pechan, ein ehemaliger Süßwarenvertreter, begann 1950 erste Bücher unter dem Namen Perlen-Reihe herauszugeben. Erster ei-genständiger Titel war, ganz bodenständig und volksnah, „Die Fußballregeln in Österreich.“ Mit unermüdlicher Energie kümmerte sich Pechan um Programm, Autorensuche, Lektorat, Druck und Ausliefe-rung. Der Selfmade-Man hatte den Finger am Puls der Zeit: Seine praktischen Bücher, die heute als Prototyp der immer noch boomenden Ratgeber- und Selbsthilfe-Literatur gel-ten, wurden zum Verkaufsschlager. Titel wie „Kraftfahrer – prüfe Dich selbst“, Benimmbücher oder Tipps zur Haustier-haltung fanden riesigen Anklang, die Reihe selbst wurde zu einem Symbol der österreichischen Nachkriegskultur.

Nach einem rauschhaften Jahrzehnt folgte ein großer Einschnitt: Verlagsgründer Pechan erlag – wohl aufgrund von Überarbeitung – seinem dritten Herzinfarkt.

1960er

Die Erfolgsgeschichte geht weiter
– die Swinging Sixties

Nach dem Tod Adalbert Pechans übernimmt seine Frau Hedwig die Leitung des Verlags und schafft es, den Erfolg auch in den 60er Jahren fortzuführen. Weiterhin orientiert sich das Programm flexibel und mit Gespür für Trends an den aktuellen Bedürfnissen der Menschen.

Nach der eher häuslichen Ausrichtung der 50er Jahre meldet sich nun die Sehnsucht nach Ferne und Fortschritt. Einheimische Tierarten wichen den „Exotischen Stubenvögeln“, Reiseführer wie „Wir fahren nach Spanien“ boomten. Auch die Hobbies verlagerten sich nach draußen („Das Segel 1 x 1“), und man dachte allmählich international: Die beliebten Wien-Reiseführer erschienen jetzt z.B. auch auf Franzö-sisch: „En visite á Vienne“.

Nicht zuletzt fanden auch die neuen Möglichkeiten der Fortbewegung ihren Niederschlag: 1963 erschien die erste Auflage von „Luftverkehrsvorschriften“, 1967 folgte das Handbuch „1 x 1 für Tankwagenfahrer“.

Jetzt konnten die 70er Jahre kommen!

1970er

Stillstand und Wandel in den 1970ern

Zehn Jahre an der Spitze im Verlag sind für Pechans Witwe genug: 1970 verkauft sie die Perlen-Reihe an die Hausdruckerei F. Hirsch – und läutet damit eine lange Reise für den traditionsreichen Verlag ein.

Doch zunächst ändert sich das Erscheinungsbild der Perlen-Reihe ein wenig. Der Umschlag wird nun cellophaniert und dadurch widerstandsfähiger. Thematisch allerdings tut sich in den 70er Jahren nicht allzu viel – man setzt auf Klassiker und Neuauflagen wie „Perfekt Tanzen“, „Lerne Schach“ oder „Wie schreibe ich richtige Briefe?“, die Flower Power-Zeit scheint spurlos am Verlag vorbeizugehen.

Erstmals werden Trends verpasst – was sich empfindlich an den Verkaufszahlen bemerkbar macht. Zwar wird Anfang der 1980er Jahre mit Titeln wie „Windsurfen“ oder „Akupressur“ der Anschluss ans Tagesgeschehen gesucht, doch zu spät: 1983 wechselt die Perlen-Reihe erneut den Besitzer.

1980er

Höher, schneller, weiter – auf ins Yuppie-Jahrzehnt

Größer, neues Format, anderer Schriftzug, andere Themen – der neue Besitzer krempelt die Perlen-Reihe (fast) von Grund auf um. Sogar das prägende Perlen-Reihe Männchen verschwindet. Auch der Slogan ändert sich: „Am Puls der Zeit“ prangt nun unter dem Logo.

Nun erscheinen viele Bücher im DIN A 5-Format, es entstehen Titel wie „Wohnen und Mietrecht in Österreich“ mit dem Verein für Konsumenteninformation, „Wohnen ohne Gift“ mit der Stiftung Warentest oder „Datenschutz in Österreich“ mit der ARGE Daten. Titel wie „Einsamkeit“ oder „Schulprobleme“ verorten die Perlen-Reihe nun auch bei den Psychologie-Ratgebern.

Der große Renner aber ist „Augen auf! Ohren auf! HELMI ist da!“. Die eiförmige Zeichentrickfigur, die zur Hälfte in einem roten Helm steckt, gibt Kindern seit den 80er Jahren wertvolle Lektionen zur Verkehrssicherheit.

1990er

Alles auf Anfang?
– Die 90er und 00er Jahre

Das neue Millennium ruft, und im Jahr 1997 übernimmt der Deuticke Verlag die Reihe – und ändert erneut das gesamte Erscheinungsbild, das beliebte Perlen-Reihe Männchen aber kehrt zurück.

Erstmals bekommen die Bücher einen Hardcover-Umschlag verpasst, die grafische Gestaltung wird innen wie außen komplett überarbeitet. Auch mit Blick auf die Titel entfernte sich die Perlen-Reihe immer weiter von ihren Ursprüngen. Neben traditionellen Bänden wie „Schnapsen“ und „Die schönsten Denkmäler Wiens“ gesellen sich reine Unterhaltungs-Titel wie „Die besten Ärztewitze“ oder „Wenn Frauen herzhaft lachen“ dazu.

2003 wurde die Perlen-Reihe an die Ernst Klett GmbH verkauft, wanderte aber schon 2004 weiter in den Paul Zsolnay Verlag. Alte Titel blieben weiterhin lieferbar, jedoch kamen keine neuen Bücher mehr hinzu.

Erst mit der Übernahme durch Ulla Harms kehrt die Perlen-Reihe zurück zu ihrem Ursprung: inhaltlich und im Design dem unvergessenen Adalbert Pechan verpflichtet.